Einem schwerkranken Menschen, der dem Tod entgegensieht, die letzten Tage und Wochen seines Lebens zu erleichtern, das ist nicht nur die Aufgabe von Ärzten und Pflegepersonal, sondern auch die der Sterbebegleiter im Rahmen der Sterbebegleitung.
Das wichtigste in aller Kürze:
- Sterbebegleitung ist die aufmerksame und liebevolle Begleitung eines Menschen in der Zeit vor seinem Tod.
- Sind keine Angehörigen vorhanden, kommen oft ehrenamtliche Sterbebegleiter zum Einsatz.
- Zeit für Gespräche, Fotoalben zusammen durchblättern, den anderen erzählen lassen, wärmende Sonnenstrahlen auf der Haut spüren, das Rascheln der Blätter hören. Oder andere Wünsche können von Sterbebegleitern erfüllt werden.
- Jeder von uns kann begreifen: Auch mein Leben ist vergänglich. Derjenige, den ich da begleite, stirbt vor mir, aber auch mein Leben wird eines Tages zu Ende gehen.
Sicher braucht der todkranke Mensch jemanden, der seine Symptome versorgt und seine Schmerzen lindert. Für die Lebensqualität ebenso wichtig ist es jedoch, dass er Helfer an seiner Seite weiß, die sich um sein seelisches Wohlbefinden kümmern, ihn also in der Zeit vor seinem Tod aufmerksam und liebevoll begleiten.
Aufgabe der Sterbebegleitung
Die Aufgabe der Sterbebegleitung haben früher im Wesentlichen die Angehörigen übernommen. Das tun sie auch heute noch, aber was ist, wenn ein Mensch, der stirbt, keine Angehörigen hat? Oder wenn Partner, Sohn oder Tochter mit der Betreuung überlastet sind? An dieser Stelle kommen oft ehrenamtliche Sterbebegleiter zum Einsatz.
Sterbebegleiter kann jeder werden, der sich dazu berufen fühlt, ob Frau oder Mann, älterer oder jüngerer Mensch. Wer Sterbebegleitung anbietet, sollte psychisch stabil sein und sich mit eigenen Lebensthemen bereits auseinandergesetzt haben. Um dem Sterbenden beistehen zu können, haben die ehrenamtlichen Helfer in der Regel eine Ausbildung durchlaufen. Sie können im häuslichen Umfeld des Kranken tätig werden und ebenso in Pflegeheimen, Hospizen und auf den Palliativstationen der Krankenhäuser.
Wie begleite ich einen Menschen beim Sterben?
In den Stunden, die wir mit dem Sterbenden verbringen, sollten wir wirklich für ihn da sein, so authentisch und einfühlsam wie möglich. Ihn ernst nehmen und wahrnehmen, so wie er ist, ihm Trost spenden und Geborgenheit vermitteln. Dabei geht es auch darum, die Realität anzuerkennen, jegliches Beschönigen oder Leugnen ist fehl am Platz. Mit „Ach, das wird schon wieder“ machen wir uns und unserem Gegenüber etwas vor. Der andere weiß sehr wohl, dass es eben nicht wieder gut wird.
Am wichtigsten ist es, dass wir dem Kranken zuhören. Nur so finden wir heraus, wie er die Zeit, die ihm noch bleibt, verleben möchte. Diese Wünsche können so individuell verschieden sein wie die betroffenen Menschen.
Wenn wir an Sterbende denken, dann stellen wir uns oft siechende Menschen in einem Bett mit weißen Laken vor. In der Realität finden wir aber häufig eine andere Situation vor. Sterbende sind schwerkranke Menschen, und mancher ist tatsächlich so schwach, dass er den ganzen Tag im Bett verbringen muss. Andere hingegen, so wie zum Beispiel Tumorpatienten, sind oft noch mobil.
Sofern der Sterbende die Kraft hat, kann man mit ihm auch etwas unternehmen. In die Natur gehen, zum Beispiel. Vielleicht möchte der Kranke noch einmal die wärmenden Sonnenstrahlen auf der Haut spüren und das Rascheln der Blätter hören. Das ist selbst im Rollstuhl möglich. Oder jemand wünscht sich, noch einmal ein Glas Wein in schöner Atmosphäre zu genießen. Oder der Sterbende will noch einmal einen Pinsel in der Hand halten und ein Bild malen. Das können ganz kostbare Momente sein!
All diese Wünsche sind nicht schwer zu erfüllen. Aber: Es geht nicht darum, in Aktionismus zu verfallen. Von Bedeutung ist nur, was der Sterbende möchte, denn seine körperlichen und geistigen Kräfte sind begrenzt. Er wird gute Tage erleben, wo er mehr Kraft hat, und schlechte Tage, an denen er sich sehr schwach fühlt.
In der Sterbebegleitung ganz wichtig: Zeit für Gespräche
Ein ganzes Leben geht mit dem Tod zu Ende, doch vor dem Tod war so viel Leben! Deshalb sollten wir als Sterbebegleiter nicht nur die Krankheit und das Leiden sehen, sondern das ganze Leben des Sterbenden.
Wir können Fotoalben zusammen durchblättern und den anderen dabei erzählen lassen. Was war ihm wichtig im Leben? Würde er aus der Rückschau die Dinge anders bewerten? Welche Menschen hat er geliebt, vielleicht auch Tiere? Welche Hobbys hat er gepflegt?
Dieser Mensch, zumal wenn es sich um einen alten Menschen handelt, hat so viel erlebt: Kindheit und Jugend in einer ganz anderen Zeit, verschiedene Arbeitsstellen, Partnerschaft und das Heranwachsen der Kinder, große Reisen. Aber auch Fehlschläge und Enttäuschungen, traurige und bedrückende Dinge, und manches wird möglicherweise bereut. Wir dürfen zuhören und ab und zu eine Frage stellen. Ratschläge erteilen wir nicht, und schon gar nicht werden wir das, was uns erzählt wird, be- oder verurteilen.
Wenn eine Atmosphäre des Vertrauens entstanden ist, tauchen vielleicht auch die großen Fragen des Lebens auf: Wo kommen wir her, wo gehen wir hin? Und in diesem Zusammenhang auch Glaubensfragen: „Ich hatte ja mit Kirche nie was am Hut, aber jetzt …“ Oder jemand fragt ängstlich: „Wird das Sterben wehtun? Wie lange dauert es wohl noch?“ Für den Sterbebegleiter ist es gut, auf all diese Themen vorbereitet zu sein.
Und Humor ist wichtig! Man kann, was so manchen überraschen mag, auch mit Sterbenden lachen. Denn solange wir leben, solange gibt es etwas zu lachen. Die überschäumende Lebensfreude eines kleinen Kindes, die Kapriolen eines Hundes, eine komische Situation, eine schlagfertige Bemerkung, ein origineller Witz, all das kann uns zum Lachen bringen, selbst dann noch, wenn der Tod bevorsteht. Zusammen lachen, das verbindet. Aber auch zusammen weinen. Ja, Sie dürfen mitweinen, solange Sie dem Kranken nicht das Gefühl geben, er müsse sich um Sie kümmern. Lachen und Weinen, Freude und Traurigkeit, alles gehört zum Leben dazu.
Sterbebegleitung, ein selbstloses Geben
Wenn Sie Sterbende in ihrer letzten Lebensphase begleiten möchten, sollten Sie die Bereitschaft mitbringen, sich selbst zurückzunehmen. Die Beziehung zwischen Ihnen und dem Sterbenden beruht nicht auf Gegenseitigkeit. Lassen Sie sich auf den anderen ein, ohne ihn bevormunden oder kontrollieren zu wollen. Im Vordergrund stehen nicht Ihre Wünsche und Bedürfnisse, sondern die des Kranken. Es geht nicht darum, dass Sie sich toll fühlen, dass der Sterbende Ihre Hilfeleistung anerkennt oder Ihnen Erfolgserlebnisse vermittelt. Lernen Sie zu geben, ohne sich zu fragen, was Sie dafür bekommen.
Eine alte Dame sagte einmal zu mir:
„Wenn ich sterbe, möchte ich gerne allein sein.“
Als ich sie erstaunt anblickte, fügte sie hinzu:
„Andere Menschen wollen immer so viel …“
Das Gespräch wurde unterbrochen, und mehr erfuhr ich nicht. Anscheinend hatte sie nicht das Vertrauen, dass sich in der Zeit unmittelbar vor ihrem Tod jemand fände, der sie selbstlos begleiten würde.
Viele Sterbende durchlaufen Phasen mit durchaus gegensätzlichen Gefühlen, und dazu gehören auch Ärger, Wut und Enttäuschung über das, was das Schicksal ihnen zumutet. Versuchen Sie, solche Gefühle auszuhalten, auch wenn Sie sich vielleicht hilflos fühlen, weil Sie keine Lösung anzubieten haben. Dennoch können Sie dem anderen helfen, indem Sie zuhören und einfach da sind, wenn er es wünscht. Damit signalisieren Sie, dass Sie bereit sind, die Last mit ihm zu tragen.
Damit wir unsere Kraft bewahren, wenn wir Sterbende begleiten, sollten wir gut für uns sorgen, uns genug Erholung gönnen und Aktivitäten nachgehen, die Freude bereiten. Ebenso ist es wichtig, einen gewissen emotionalen Abstand einzuhalten, das heißt, Mitgefühl zu empfinden, aber nicht mitzuleiden. Was sich so einfach sagt, kann in der Realität bisweilen schwerfallen.
Denn das Leid anderer berührt uns, und genau das macht uns menschlich. Es wird für uns als Sterbebegleiter auch einen Unterschied bedeuten, ob es sich bei dem Todkranken um einen betagten Menschen handelt, der sein Leben vollendet hat und nun bereit ist, loszulassen, oder um einen jungen Menschen, bei dem so viel Leben ungelebt bleiben wird.
Wenn wir Sterbende in den letzten Wochen und Tagen vor ihrem Tod begleiten, werden wir unendlich viel über das Leben lernen und mit den Herausforderungen unserer Tätigkeit seelisch wachsen. Jeder von uns begreift: Auch mein Leben ist vergänglich. Derjenige, den ich da begleite, stirbt vor mir, aber auch mein Leben wird eines Tages zu Ende gehen.
Vielleicht werden sich im Angesicht des fremden Todes noch einmal Prioritäten verschieben. Materielle Dinge treten in den Hintergrund, unsere begrenzte Zeit auf Erden erscheint kostbarer als zuvor, und uns wird bewusst, was in unserem Leben wirklich von Bedeutung ist.
Das ist ein Gewinn, der sich nicht mit Zahlen bemessen lässt.